Wernigerode im Jahr 1714

  • Am 19. Mai schließt Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode mit König Friedrich Wilhelm I. einen Vergleich, durch den der Rechtsunsicherheit ein Ende gemacht wird. Der König von Preußen erhält die Staats- und Kirchenhoheit eingeräumt, das Recht, Soldaten auszuheben und die Staatssteuern, Akzise und Kontribution zu erheben.
    Dem Grafen verbleibt die Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit, das Begnadigungsrecht außer bei Todesstrafe, das Münzrecht, die Berufung der Geistlichen, die Schulverwaltung und zur Ausübung seiner Rechte die gräfliche Kanzlei, später Regierung genannt.
    Wernigerode ist damit endgültig Teil des Preußischen Staates.

  • Der Graf von Wernigerode erhält von Preußen den Landmann zurück.

  • Auch die Gemeinde Minsleben wird dem Königreich Preußen infolge des zwischen dem preußischen König und dem Grafen von Stolberg-Wernigerode geschlossenen Rezesses zugeordnet.

  • Der "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I. bemüht sich seit seinem Regierungsantritt 1713, die schlagkräftigste Armee Europas zu bilden. Da die Grafschaft nun zu Preußen gehört, sind auch hier die Werber unterwegs, besonders in Gaststätten alkoholisierte junge Burschen als "Freiwillige" anzuwerben.

    Vermehrt kommt es in der Grafschaft zu Fahnenflucht. Graf Christian Ernst läßt durch einen Anschlag bekanntmachen, dass "jeder Vater seinen Sohn binnen drei Monaten zur Stelle zu schaffen hat", tut er es nicht, "so soll derselbe für infam erklärt und sein Name an den Galgen geschlagen werden, und wenn er angetroffen wird, bei Leib und Leben als Deserteur betraft werde."

  • Heinrich Georg Reuß gründet in einem Gartenhaus "dicht am Westenthore" gelegen, "unter Approbation gnädiger Herrschaft", eine Waisenanstalt.
    Sechs Mädchen und Jungen finden darin Aufnahme, erhalten Verpflegung, Erziehung und Unterricht im Christentum, Rechnen und Schreiben, die Jungen aber auch Lateinisch und Griechisch sowie Musik.
    Finanziert wird das Haus durch Geschenke und freiwillige Gaben an Naturalien und Geld.