Wernigerode im Jahr 1961
In Vorbereitung der Kommunalwahlen am 17. September geben in vielen Betrieben der Stadt Wernigerode "die Werktätigen bedeutsame Verpflichtungen" ab. Zum Beispiel "verpflichten sich die Werktätigen der Vereinigten Harzmolkereien KG Heise & Co Silstedt... aus dem Willen der Erhaltung des Friedens und zur weiteren Lösung der deutschen Frage... am Wahltag bis 12 Uhr ihre Stimme den Kandidaten der Nationalen Front zu geben". "Der Milchabschöpfungsgrad soll bis zur Wahl von 93,2 auf 95 Prozent erhöht werden. Innerbetrieblich soll durch Senkung der Unkosten und Erhöhung der Arbeitsproduktivität sowie durch Rationalisierungsmaßnahmen der Gewinn gegenüber 1960 um 25 Prozent erhöht werden".
An der Fachschule für Landwirtschaft in Wernigerode werden jährlich nicht nur 150 Direktstudenten immatrikuliert, die nach drei Jahren als "Staatlich geprüfter Landwirt" in ihre Heimatorte gehen, sondern auch im Fachschul-Abendstudium LPG-Vorsitzende und andere Leitungskräfte aus den Landkreisen Wernigerode, Halberstadt und Oschersleben zu "Meistern der Landwirtschaft", "Staatlich geprüften Landwirten" und "Staatlich geprüften Finanzwirtschaftlern" ausgebildet.
Bei einer Wahlbeteiligung von 98,46% stimmen bei der Wahl am 17. September zur Stadtverordnetenversammlung 99,96% der Bürger für die Einheitsliste der Nationalen Front.
Volksstimme - 18. September
Der Brocken wird nach dem Mauerbau für jeden zivilen Besuch gesperrt und hermetisch abgeriegelt. Auf dem Harzgipfel herrschen das Militär und die Sicherheitsdienste der Sowjetunion und der DDR. Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR installiert ein raffiniertes Lausch- und Spionagesystem, das weit nach Westeuropa Telefon- und Funkverkehr abhört. Der Brocken ist auch das "große Ohr" des sowjetischen Geheimdienstes. Eine mehr als drei Meter hohe Mauer aus Beton und Stacheldraht sichert das Gelände. Die NATO betreibt auf dem Wurmberg bei Braunlage eine ähnliche Einrichtung, mit der weit in das Gebiet des "Warschauer Vertrages" militärische Spionage betrieben wird.
Schierke liegt im Fünf-Kilometer-Sperrgebiet, verbunden mit Einschränkungen für die Einwohner.
Im Kreis Wernigerode wohnen am 3. Oktober 17 125 Einwohner im Sperrgebiet. Davon werden insgesamt 54 Personen ausgesiedelt.
Am 6. Oktober wird in der Presse der Stadt darüber informiert, dass "zum Schutze der DDR-Bürger" für "eine Anzahl Bürger", die bisher in der 5 km-Sperrzone wohnhaft waren, "ein Wechsel des Wohnortes angeordnet" worden sei. Die Maßnahme sei bereits abgeschlossen. Diese Bürger könnten "ohne Benachteiligung am neuen Wohnort weiter am Aufbau des Sozialismus teilnehmen".
Am 25. November appelliert die Volkspolizei an die Bevölkerung, da "zweifelhafte Elemente im Sperrgebiet" versuchen, den "Menschenhandel zu fördern", wachsam zu sein.
Volksstimme - 25. November