Wernigerode im Jahr 1952
Auf dem Waldfriedhof Hasserode befinden sich die Gräber von neun unbekannten KZ-Häftlingen aus dem Außenlager Harzungen des KZ Mittelbau-Dora, die während des Todesmarsches im April 1945 von Wachmannschaften in Minsleben ermordet und verscharrt worden waren. Ihre Leichname wurden jetzt nach Wernigerode überführt und ihnen ein Gedenkstein gesetzt. Ebenfalls auf dem Waldfriedhof befindet sich die Ehrenanlage für die Verfolgten des Naziregimes, die durch die Gräber von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern aus sechs Nationen und von russischen und polnischen Kindern von Zwangsarbeiterinnen einschließt. Weiterhin sind 16 Besatzungsmitglieder englischer und amerikanischer Bombenflugzeuge beigesetzt.
Am 26. Mai um 18:00 Uhr übergibt der Erste SED-Kreissekretär Werner Toerne dem amtierenden Wernigeröder Landrat Rudolf Czastitz einen versiegelten Brief mit durchzusetzenden Instruktionen zu Zwangsaussiedlungen im Kreis Wernigerode.
Noch in der Nacht vom 26. zum 27. Mai lässt Czastitz "sämtliche Bürgermeister des Kreisgebietes" einbestellen, um ihnen die Maßnahmen bekanntzugeben.
Die listenmäßige Erfassung der aus dem Grenzgebiet auszusiedelnden Personen erfolgt in großer Eile auf der Grundlage von Beobachtungen, Gerüchten und Spezialberichten. Zuständig dafür ist, wie andernorts auch, das Volkspolizeikreisamt (VPKA), das in dieser Frage eng mit der Kreisdienststelle des Ministeriums der Staatssicherheit, dem Sekretariat der SED-Kreisleitung und der Kreisverwaltung zusammenarbeitet.
Die endgültige Abstimmung der Deportationslisten nimmt ab 27. Mai eine von der SED-Kreisleitung gebildete Sonderkommission vor.
Auch zwischen dem Kreis Wernigerode (DDR) und den Kreisen auf niedersächsischer Seite (Bundesrepublik) wird ein Sperrgebiet eingerichtet. "Politisch unzuverlässige Personen" werden aus dem Sperrgebiet zwangsausgesiedelt (Aktion "Ungeziefer"). Aus dem Sperrgebiet des Kreises Wernigerode werden 158 Personen in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" am 28./29. Mai ausgesiedelt und in die Landkreise Torgau und Querfurt gebracht. Die erste Aktion war jedoch schlecht vorbereitet. So konnten sich viele zur Umsiedlung vorgesehene Einwohner durch eine spontane Flucht in die Bundesrepublik der Zwangsumsiedlung entziehen. "Am Morgen des 7. Juni fuhren um 6.00 Uhr die Lastkraftwagen vor. Die betroffenen Personen wurden informiert, und im Laufe des Tages fand der Abtransport zum Bahnhof statt, wo die Züge um 20.00 Uhr abfuhren, so dass die Betroffenen in den frühen Morgenstunden zwischen 3.00 und 5.00 Uhr am Zielort eintrafen." Insgesamt wurden damit in beiden Aktionen aus dem Kreis Wernigerode 297 Personen zwangsausgesiedelt.