Wernigerode im Jahr 1946
Die evangelische Kirchenprovinz Sachsen übernimmt auf Bitte der letzten Äbtissin Magdalena das Kloster Drübeck als Erholungsheim und Tagungsstätte.
wikipedia.org - Kloster Drübeck
Auf der Sitzung der Wernigeröder Stadtverordneten am 4. Mai wird bekannt gegeben, dass sich der Pächter des "Stadtgartens", die Eheleute Kindervater, per "Zusatzvertrag" verpflichtet haben, "auf ihre Kosten die Kegelsporthalle zu einem modernen Lichtspieltheater auszubauen".
Dafür würde die Stadt bei der Erhebung der Pacht für den Stadtgarten den Kindervaters entgegenkommen. Möglicherweise kam es jedoch zu einem Zerwürfnis, denn noch 1946 beauftragt Stadtbaurat Willi Deistel den Architekten Wenner, die Kegelhalle zu einem Kino auszubauen.
Der in Köln geborene Landrat Erich von Stosch stirbt am 17. Januar. Er diente in einer ungewöhnlich langen Amtszeit vom Juli 1912 bis Juli 1944 in drei unterschiedlichen Regierungsformen, "dem Kaiserreich, der Weimarer Republik und der Aera Hitler".
Wernigeröder Zeitung und Intelligenzblatt - Nr. 23 - November 1955
Der Bürgermeister von Wernigerode gibt am 23. Januar bekannt, dass der Zivilbevölkerung das Tragen und Aufbewahren von Waffen verboten ist. Wer noch Waffen besitzt, hat diese bis spätestens 5. Februar bei der Polizeibehörde am Markt abzugeben. Wer danach noch im Besitz von Waffen ist, muss mit strengster Bestrafung bis einschließlich der Todesstrafe rechnen. Auch das Tragen von Uniformen der früheren deutschen Wehrmacht ist verboten. Die Besitzer solcher Uniformen werden aufgefordert, diese umzufärben. Verstöße werden durch die Polizei mit einer Geldstrafe geahndet.
Stadtarchiv Wernigerode - WR III 6/2
Alle über 15 Jahre alten Einwohner von Wernigerode müssen im Besitz eines Personalausweises in russischer Sprache sein. Die Ausstellung der Ausweise wird am 28. Februar abgeschlossen.
Stadtarchiv Wernigerode - WR III 6/2
Am 10. März vereinigen sich SPD und KPD zur SED für die Stadt und den Landkreis im Saal- und Gaststättenbetrieb "Monopol". Die SPD war in Wernigerode vor der Machtergreifung der Faschisten an Mitgliedern und politischem Einfluss stärker als die KPD. Mit Max Otto stellte die SPD nach 1945 den Bürgermeister. Bei der Vereinigung wurde stets auf eine paritätische Zusammensetzung der Parteileitungen geachtet. Später wurde von diesem Prinzip abgerückt und die SED in eine "Partei neuen Typus", das heißt, in eine nach stalinistischen Prinzipien organisierte "marxistisch-leninistische Kaderpartei" umgewandelt.
Im April gründen in Wernigerode Antifa-Umsiedler aus dem Sudetenland eine Produktivgenossenschaft der Holzhandwerker mit Unterstützung des Landrates und des Bürgermeisters. Einheimische SED-Mitglieder verfolgen die Bemühungen mit Misstrauen und verhindern im Mai die Bildung einer weiteren Genossenschaft der Bauarbeiter und Bauhandwerker.
Künstler schließen sich in Wernigerode zu einer losen Künstlerverbindung, später bekannt als "Wernigeröder Künstlerkolonie" (bis 1950), zusammen. Neben Landschaftsmaler Pramme, Heller und anderen, gehört auch der Leiter des städtischen Kulturamtes, Eberhard Karnatzki, dazu.
Karnatzki tritt noch vor der Vereinigung der beiden Arbeiterparteien der SPD bei und gehört nach der Vereinigung einer kleinen, illegal arbeitenden Gruppe Sozialdemokraten an, die Kontakt zum Ostbüro der SPD in Hannover unterhält.
Am 11. Juli werden durch das Wohnungsamt von Wernigerode Maßnahmen zur besseren Nutzung von Wohnraum angeordnet. "Ältere Alleinstehende, auch Ehepaare, können bei Aufgabe ihrer Wohnung in gut geleiteten Altersheimen Aufnahme finden".
Stadtarchiv Wernigerode - WR III 6/2
In einer Bekanntmachung vom 12. August informiert der Bürgermeister, dass "alle alten und gebrechlichen Personen, die in die englische Zone übersiedeln wollen", sich im Städtischen Wohlfahrtsamt Klint 10, Zimmer 4 melden können.
Stadtarchiv Wernigerode - WR III 6/2
Der Magistrat der Stadt unter dem Bürgermeister Max Otto steht vor einer großen Aufgabe. Beim Wiederaufbau nach den Zerstörungen durch den Krieg geht es vor allem darum, das Allernötigste, also Essen, Trinken, Kleidung, Unterkunft, Gesundheitsfürsorge für die durch Flüchtlinge bis zu etwa 50 000 Einwohner gewachsene Stadt zu beschaffen, und das vor dem Hintergrund zerstörter und/oder demontierter Betriebe. Große Probleme bereiten auch einige der befreiten Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge, die sich für erlittenes Unrecht durch Plünderungen und andere Übergriffe rächen.
Alle Tuberkulosekranken werden am 26. August vom Amtsarzt Dr. Rasch aufgefordert, sich umgehend im Städtischen Wirtschaftsamt wegen einer neuen Sonderzuteilung an Lebensmitteln zu informieren.
Stadtarchiv Wernigerode - WR III 6/2
Am 24. Juli findet im Stadtgarten die erste Sitzung der beratenden Versammlung statt. Die Beratung ist öffentlich, die Bevölkerung hat Zutritt.
Stadtarchiv Wernigerode - WR III 6/1
Der Bürgermeister von Wernigerode gibt bekannt, dass am Montag, den 2. September um 7:30 Uhr der Schulunterricht beginnt. Am Vortage, den 1. September finden an allen Schulen ab 11:30 Uhr Schulfeiern statt, die "dem ersten Schuljahr der demokratischen Einheitsschule" gewidmet werden. Die Eltern und Schüler werden dazu eingeladen.
Stadtarchiv Wernigerode - WR III 6/2
Die Wahlen zur "Gemeindevertretung" Wernigerode (später wieder Stadtverordnetenversammlung) am 8. September ergibt bei einer Wahlbeteiligung von 92,9% für die SED 19 Mandate, für die LDP 13 Mandate und für die CDU 8 Mandate.
Wahlergebnisse: SED 45,86% LDPD 31,99% CDU 21,02%
Max Otto (jetzt SED) wird als Bürgermeister bestätigt.
Dies ist auch die letzte Wahl bis 1990, in der die WernigeröderInnen sich zwischen verschiedenen Parteien entscheiden können. In den folgenden Jahrzehnten gibt es Einheitslisten der Nationalen Front. Diese Einheitslisten werden unter der Führung der SED vom "Demokratischen Block" erstellt.
Unter dem Einfluss der sowjetischen Besatzungsmacht wird sehr konsequent die politisch bestimmte, d.h. von der Kreisleitung der SED dominierte Personalpolitik in der Stadtverwaltung vorangetrieben.
Am 18. September fordert der Bürgermeister die Wernigeröder auf, Vermögensobjekte, die seit 1939 durch deutsche Dienststellen, Militärbehörden und Privatpersonen aus von Deutschland überfallenen Ländern in das Deutsche Reich gebracht worden sind, der Wirtschaftstelle im Rathaus zu melden. Diese Vemögensobjekte unterliegen der Rückgabe, die Nichtbeachtung der Aufforderung wird gerichtlich geahndet.
Am 22. September wird das Heimatmuseum nach Überprüfung und Neueinrichtung in den bisherigen Räumen, Vorwerk 4, wiedereröffnet.
Stadtarchiv Wernigerode - WR III 6/1
Auf Befehl "des Herrn Kreiskommandanten" ordnet der Bürgermeister am 17. Oktober die "Ausmerzung der Naziliteratur" an. Aus allen öffentlichen Bibliotheken und Büchereien von Privatpersonen sind die in den Übersichten genannten Bücher, Filme und Zeitschriften zu entfernen und bis 23. Oktober im Logenhaus Bahnhofstraße (früher "Haus der deutschen Frau") abzuliefern.
In Wernigerode findet am 29. Oktober eine Volks- und Berufszählung statt. Grundlage ist eine Anordnung des Alliierten Kontrollrates für alle Besatzungszonen Deutschlands.
Stadtarchiv Wernigerode - Gesetz Nr. 33 des Alliierten Kontrollrates vom 20.07.1946
Wegen der Widerstände bei der Aufnahme zugewiesener Flüchtlinge warnt Landrat Reichard am 11. November alle Wohnungsbesitzer, sich dieser Maßnahme nicht weiter zu verschließen. Viele Hauseigentümer hatten sich geweigert, Flüchtlinge aufzunehmen. "Auf Grund der Kontrollgesetze kann der Haus- bzw. Wohnungsbesitzer sofort aus seinem Besitz herausgesetzt und der Flüchtling eingesetzt werden. Auch die Enteignung der Hausbesitzer ist möglich."
Stadtarchiv Wernigerode - WR III 6/1