Wernigerode im Jahr 1944

  • Generalmajor Otto Herfurth wird am 29. September in Berlin-Plötzensee erhängt. Er ist die sehr wahrscheinlich einzige Person aus dem heutigen Stadtgebiet Wernigerodes, die nach dem missglückten Hitler-Attentat vom 20. Juli hingerichtet wird. Nach dem Attentat weigert sich Herfurth anfangs, in Abwesenheit seines Vorgesetzten die Befehle der Verschwörer weiterzugeben. Zwischen 18:00 Uhr und 20:30 Uhr führt er die Befehle dann aber doch aus. Im weiteren Verlauf des Abends versucht er, diese rückgängig zu machen, was ihn allerdings nicht vor der späteren Verhaftung bewahrt. Am 14. August wird er aus der Wehrmacht ausgeschlossen, sodass das "Reichskriegsgericht" für die Aburteilung nicht mehr zuständig ist. Am 28. und 29. September findet die "Verhandlung" vor dem "Volksgerichtshof" unter dessen Präsidenten Roland Freisler statt.

  • Die "Wernigeröder Zeitung-Nationalzeitung für den Harz" berichtet am 12. Januar: "123 USA-Flugzeuge abgeschossen". "In den frühen Morgenstunden des 11. Januar griffen nordamerikanische Bomber einige Orte in Mitteldeutschland an. Infolge der sofort einsetzenden deutschen Abwehr kamen die Angriffe nicht zur geschlossenen Wirkung."

Bombenschäden in der Breiten Straße
- Stadtarchiv Wernigerode
Bombenschäden in der Breiten Straße - Stadtarchiv Wernigerode
  • Am Beginn des Jahres hat Wernigerode 26369 ständige Einwohner. Dazu kommen 2811 evakuierte Bombengeschädigte aus deutschen Städten und 3665 ausländische Arbeiter.

    Nicht im Meldeamt registriert sind 700 KZ-Lagerinsassen, 389 Kriegsgefangene, 110 schwangere Frauen im SS-Kinderheim und 1500 Lazarettinsassen.

Bombenschäden am Nicolaiplatz
- Stadtarchiv Wernigerode
Bombenschäden am Nicolaiplatz - Stadtarchiv Wernigerode
  • Es werden Postleitzahlen zur "schnelleren Beförderung der Post" eingeführt. Der Gau Magdeburg-Anhalt, zu dem auch Wernigerode gehört, erhält die Postleitzahl 19.

  • Bombengeschädigte aus deutschen Großstädten werden in Fremdenheimen der Stadt Wernigerode untergebracht.

  • Auch über Wernigerode werden gefälschte Reisebrot-, Butter- und Käsemarken durch gegnerische Flugzeuge abgeworfen. In der Presse wird darauf hingewiesen: "Beim Auffinden dieser Marken sind diese sofort bei der nächsten Polizeidienststelle abzugeben. Die Nichtbeachtung oder Verwertung dieser Marken wird mit schweren Zuchthausstrafen oder sogar mit dem Tode bestraft."

  • Die "Wernigeröder Zeitung" meldet am 21. Januar: "Die Ostfront bleibt undurchbrechbar". Untertitel: "Missstimmung im feindlichen Lager über die Erfolglosigkeit ihrer Angriffe".

Zerstörung nach Luftangriff am 22. Februar 1944
- Stadtarchiv Wernigerode
Zerstörung nach Luftangriff am 22. Februar 1944 - Stadtarchiv Wernigerode
  • Am 30. Januar begeht im "Stadtgarten" die NSDAP die Feierstunde zum "Tag der Machtübernahme". Motto dieser Veranstaltung: "Unerschütterlichkeit - kampfentschlossen - siegesbewusst!".

  • Die Einwohner von Wernigerode werden aufgefordert, "Kartoffeln sparsam zu verwenden". Die Wernigeröder Zeitung schreibt: "Die Ernährungslage ist nicht gefährdet". Die "Volksgenossen" hätten Verständnis für die "regulativen Maßnahmen".

  • Am 22. Februar bombardiert ein US-Bombengeschwader erstmalig die Stadt. Von 14:02 - 14:04 Uhr entladen 19 Flugzeuge eine ca. 50 Tonnen schwere tödliche Last. 192 Menschen verlieren im Hagel der 210 Sprengbomben ihr Leben. Es werden 67 Häuser total zerstört und ca. 400 weitere Gebäude beschädigt.

Bombenschäden in der Großen Schenkstraße
- Dieter Oemler
Bombenschäden in der Großen Schenkstraße - Dieter Oemler
  • Durch den Bombenangriff am 22. Februar werden auch die Fachwerkhäuser an der Ecke Breite Straße / Johannisstraße zerstört.

Bombenschäden Breite Straße / Ecke Johannisstraße
- Dieter Oemler
Bombenschäden Breite Straße / Ecke Johannisstraße - Dieter Oemler
  • Ecke Burgstraße/Unterengengasse schlägt eine Bombe ein.

    Harzmuseum Wernigerode - Bombenangriff in der Innenstadt von Wernigerode
Bombeneinschlag Burgstraße Ecke Unterengengasse, Ulrich Lucas *1952
- Harzmuseum Wernigerode
Bombeneinschlag Burgstraße Ecke Unterengengasse, Ulrich Lucas *1952 - Harzmuseum Wernigerode
  • Bei dem Bombenangriff auf Wernigerode am 22. Februar wird auch das Hotel "Weißer Hirsch" getroffen. Der 1897 eingerichtete Festsaal sowie der Wintergarten werden zerstört.

Hotel "Weißer Hirsch"
- Stadtarchiv Wernigerode
Hotel "Weißer Hirsch" - Stadtarchiv Wernigerode
  • Am 25. Februar werden die Einwohner von Wernigerode aufgefordert, bei Fliegeralarm jede Neugier zu unterlassen und während des Alarms im Luftschutzraum zu bleiben.

Bombenschäden in der unteren Burgstraße
- Dieter Oemler
Bombenschäden in der unteren Burgstraße - Dieter Oemler
  • Aus dem Leitartikel der Wernigeröder Zeitung, am 26. Februar: "Vier Tage sind es her, dass der feige Überfall britisch-amerikanischer Bomber auf unsere bunte Stadt, die so vielen Menschen Erholung und Lebenskraft gibt, erfolgte...". "Unsere Waffe aber ist das Ziel, für das wir diese Belastungsprobe bestehen: die Freiheit unseres Volkes!"

Bombenschäden in der Oberengengasse
- Dieter Oemler
Bombenschäden in der Oberengengasse - Dieter Oemler
  • Kreisleiter Detering besucht die Verletzten des Luftangriffs und zieht die Lehren aus dem Luftangriff: "Ruhe bewahren - Wasser und Sand bereitstellen - absolute Luftschutzdisziplin!"

Bombenschäden in der Innenstadt nach dem Angriff vom 22. Februar 1944
- Dieter Oemler
Bombenschäden in der Innenstadt nach dem Angriff vom 22. Februar 1944 - Dieter Oemler
  • 14. März: Die Dienstkarte der HJ (=Hitler-Jugend) ist für alle Jugendlichen alleiniger amtlicher Ausweis.

HJ - Mitglieder in Wernigerode
© Wolfgang Grothe
HJ - Mitglieder in Wernigerode © Wolfgang Grothe
  • 30. März: Die "Rautal-Betriebsgemeinschaft" wird als Kriegsmusterbetrieb ausgezeichnet.

  • 1. April: In einer Feierstunde im Stadtgarten werden ausgewählte siebzehn- und achtzehnjährige HJ-Mitglieder in die Partei (NSDAP) aufgenommen. ("In großer Zahl werden die Siebzehn- und Achtzehnjährigen...in diesem Jahr als Kriegsfreiwillige der HJ zur Wehrmacht und Waffen-SS einrücken. Auch bei den Mädeln sind zahlreiche der neuen Parteigenossinnen Arbeitsmaiden oder erfüllen ihre Aufgaben im Kriegshilfsdienst...")

  • 20. April: Aus Anlass des Geburtstages von Adolf Hitler werden auf dem Marktplatz von Wernigerode Zehnjährige feierlich in die Reihen des "Jungvolks" (Pimpfe) und in den "Jungmädelbund" aufgenommen. "Der Aufmarsch der Hitlerjugend bot auf dem strahlend hellen Platz vor unserem schönen Rathaus ein imposantes Bild." Im Stadtgartensaal findet aus gleichem Anlass eine "großartige Kundgebung" statt unter dem Motto: "Im Glauben an den Sieg mit dem Führer verbunden".

  • 19. Mai: In den Wernigeröder Gaststätten tritt eine Anweisung zur Neuregelung der Speisenabgabe in Kraft ("Kriegsdisziplin in den Gaststätten"). Es wird darin eine "Rücksichtnahme auf die kriegswichtig Schaffenden" gefordert.

  • 22. Mai: An 27 Frauen aus Wernigerode "die dem Führer mehrere Kinder geschenkt haben", wird im Stadtgarten das "Mutterkreuz" verliehen. "Mit ihrer Gebährfreudigkeit ...müssen die deutschen Frauen helfen, für den Bestand des Volkes zu sorgen".

  • Am 26. Mai wird im Zwangsarbeitslager Veckenstedter Weg (Nebenlager des KZ Buchenwald) der "Funktionshäftling" (Lagerältester) Kurt Wabbel (1929 bis 1933 Stadtrat der KPD in Halle (Saale) ) tot aufgefunden. Die Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt.

  • 22. Juli: Nach dem Attentat auf Hitler findet auf dem Markt eine "Treuekundgebung" zum Führer statt. Aufruf dazu: "Mit dem Führer in Treue zum Sieg - Alle Volksgenossen und Volksgenossinnen in Wernigerode nehmen an der heute um 20 Uhr stattfindenden Großkundgebung auf dem Marktplatz teil."

SS-Einheit 1944 - "Treue zum Führer"
- Mahn-und Gedenkstätte Archiv
SS-Einheit 1944 - "Treue zum Führer" - Mahn-und Gedenkstätte Archiv
  • Am 9. September findet in Wernigerode eine Kundgebung unter Beteiligung der Wehrmacht und eines Wehrmachtmusikkorps statt, zu der ein Obergebietsführer aus der Reichsjugendführung spricht. Die Wernigeröder Kriegsfreiwilligen aus der Hitler-Jugend (HJ) werden in Anwesenheit der Eltern von der Wehrmacht übernommen.
    "Die Krönung allen HJ-Dienstes ist heute mehr denn je der Tag, da das Braunhemd mit dem Ehrenkleid der Wehrmacht vertauscht werden kann. Es ist der Stolz jeden rechten Jungen, schon möglichst früh in die Reihen der Kameraden eintreten zu dürfen, die mit der Waffe in der Hand für Führer, Volk und Vaterland kämpfen."

Gefallenen-Anzeigen in der Wernigeröder Zeitung vom 9. September 1944
© Wolfgang Grothe
Gefallenen-Anzeigen in der Wernigeröder Zeitung vom 9. September 1944 © Wolfgang Grothe
  • 11. September: In den Betrieben ist die Verordnung über die 60-Stunden-Woche durchgesetzt.

  • In der Firma Rautenbach sind 5886 Arbeitskräfte beschäftigt.

  • Am 29. September  wird der am 22. Januar 1893 in Hasserode geborene Otto Herfurth (zuletzt Generalmajor) nach dem mißlungenen Attentat vom 20. Juli auf Hitler in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

  • Am 23. Oktober findet auf dem Marktplatz eine große Kundgebung mit einem Aufmarsch des Volkssturms unter dem Motto:"Volksgemeinschaft unter Waffen" statt. Alle Männer der Jahrgänge 1884 bis 1928, die nicht bereits beim Militär sind, haben sich zu melden und im Volkssturm zu kämpfen.

  • Am 25. Oktober informieren der Kreisleiter und der Ortsgruppenführer der NSDAP, dass am 27., 28. und 29. Oktober alle Männer aus Wernigerode der Jahrgänge 1884 bis 1928, soweit sie noch nicht Teil der Landesverteidigung sind, in vorgeschriebenen Räumen zum Volkssturm erfasst werden.
    Männer über 60 Jahre können sich freiwillig melden.
    "Der Führer hat den deutschen Volkssturm ausgerufen!"

    Das erscheinen ist Pflicht. Nichterscheinen ohne begründete Entschuldigung wird nach den Kriegsgesetzen bestraft.

  • Am 2. November geht in der Benzingeröder Straße eine amerikanische Luftmine nieder. Vier Häuser werden total zerstört, 14 Tote sind zu beklagen. Der Luftdruck dieser Mine beschädigt in der Siedlung Tünneckenberg weitere Häuser der nördlichen Seite.

  • 28. November: An der Fürst-Otto-Schule findet zur würdigen Ehrung der verstorbenen und gefallenen Lehrer und Schüler der Anstalt eine Totenfeier statt.

  • Am 11. Dezember werden die ersten freiwilligen Wehrmachts-Helferinnen in Meldestellen der NS-Frauenschaft und beim BDM erfasst.

Bombenschäden in Wernigerode
- Stadtarchiv Wernigerode
Bombenschäden in Wernigerode - Stadtarchiv Wernigerode
  • Am 25. Dezember beziehen die 500 Häftlinge der Außenstelle Wernigerode des Konzentrationslagers Buchenwald (bis dato tätig in den Rautalwerken und untergebracht in einem Barackenlager am Veckenstedter Weg) die leeren Gebäude des Betriebsgeländes am Bahnhof "Steinerne Renne". Das Gelände wird mit einem elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun umgeben. Die SS-Bewacher führen täglich die Häftlinge von hier zur Zwangsarbeit in das "Wernigwerk" in der Burgmühlenstraße. Die im Jahr 1935 hier gegründete Argenta-Schokoladen-Aktiengesellschaft hatte mit Kriegsbeginn die Produktion eingestellt. Die Junkers-Flugzeugwerke hatten anschließend einen Zweigbetrieb zur Fertigung von Flugzeugteilen eingerichtet. 

  • Ein neben dem Lebensmittelladen "UEHR" gelegenes Gebäude am "Nico" ist nach einem Bombeneinschlag stark beschädigt.

    Harzmuseum Wernigerode - Breite Straße Nicolaiplatz
Bombeneinschlag am "Nico", Ulrich Lucas *1952
- Harzmuseum Wernigerode
Bombeneinschlag am "Nico", Ulrich Lucas *1952 - Harzmuseum Wernigerode