Wernigerode im Jahr 1937
Am 8. Januar ist die Schriftstellerin, Dramaturgin und Regisseurin Waltraut Lewin in Wernigerode geboren.
wikipedia.org - Waldtraut Lewin
Wie überall im Deutschen Reich wird auch in Wernigerode der Tag der Machtübernahme 1933 durch die NSDAP als Erinnerungstag begangen. In den frühen Morgenstunden des 30. Januar werden die "Wernigeröder Volksgenossen" durch "Hörnerklang einer SA-Einheit geweckt".
In den Vormittagsstunden "stehen die Schaffenden an ihrem Arbeitsplatz, an dem Arbeitsplatz, den ihn der Führer erhalten oder neu geschaffen hat".
Ab 13 Uhr begeben sich, angeführt durch den "Betriebsführer, alle Gefolgschaftsleute" in vorher festgelegte Veranstaltungsräume, Gaststätten, Kinos u.a., "um gemeinsam die Übertragung der Rede des Führers im Radio anzuhören". Zeitzeugen berichten später, dass während der Übertragung der Rede die Plätze und Straßen der Stadt menschenleer waren.
Der Abend endet mit einem Fackelumzug der SS,SA,"politischen Leitern", AF, HJ und BDM.
Die "Parteigenossen der NSDAP" kommen abends im "Stadtgarten" zu einem "Kameradschaftsabend" zusammen.Wernigeröder Zeitung und Intelligenzblatt - 01.02.1937
Die "Wernigeröder Zeitung und Intelligenzblatt" widmet am 24. Februar der "Zuchthausstrafe für einen Rassenschänder" einen ausführlichen Artikel.
Nach der Anzeige durch den Wernigeröder SA-Mann Ernst P. einer "rasseschänderischen Beziehung" wurde der jüdische Kaufmann Max Kirchstein aus der Breiten Straße festgenommen und "einer gerechten Bestrafung zugeführt". Kirchstein habe in "echt jüdischer Gerissenheit und Gemeinheit" die "Notlage der deutschblütigen" Erna L. "in gemeinster Weise ausgenutzt, um an einer deutschen Frau seine Lust zu fröhnen".
Grundlage der Zuchthausstrafe von zwei Jahren ist das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" vom 15. September 1935. Nach der Haftentlassung Kirchsteins aus der Strafanstalt Kassel-Wehlheiden verliert sich seine Spur. Sein Name erscheint noch einmal 1942 auf einer Liste Berliner Juden im Ghetto Riga.Wernigeröder Zeitung und Intelligenzblatt - 24.02.1937
Wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" werden im Februar unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch das Berliner Kammergericht gegen Wernigeröder Sozialdemokraten Zuchthausstrafen verhängt. Bereits ein Jahr zuvor wurde aus dem gleichen Grund der frühere Wernigeröder SPD-Stadtverordnete Friedrich Kuring (1881-1953) zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt.
Wanderausstellung des Ministerium für Justiz Sachsen-Anhalt "Justiz im Nationalsozialismus - Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes" 2017 - Strafverfahren gegen Kommunisten und Sozialdemokraten
Der Schriftsetzer und ehemalige SPD-Stadtrat Max Otto (1889-1969) wird vom Amtsgericht Wernigerode wegen Beleidigung angeklagt und zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Er hatte am 15. Juni im Kartonagenwerk Wernigerode während des Auftritts eines NS-Funktionärs dessen Rede gegenüber Kollegen als "an Dummheit nicht zu überbieten" kritisiert. Nach Denunziation wurde Anklage erhoben.
Der spätere erste Nachkriegsbürgermeister musste zudem 1944 vier Monate Schutzhaft im KZ Sachsenhausen verbringen.