Wernigerode im Jahr 1931
Am 15. Januar soll im Kurhaussaal, dem späteren Stadtgarten, mit Anton Franzen der erste NSDAP-Landesminister des Freistaates Braunschweig sprechen. Das Wernigeröder "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" demonstriert mit etwa 1.000 Teilnehmern gegen die Veranstaltung.
Nachdem NSDAP-Leute eine Schlägerei anzetteln, wird die Veranstaltung im Kurhaussaal aufgelöst und die Nazis fliehen über den Lindenberg.
Der als "Philosoph von Schierke" bekannt gewordene Sozialdemokrat August Künne diskutiert mit Kurgästen von Rang und Namen, so auch mit Albert Einstein, von dem er das Buch "Über die Relativitätstheorie" geschenkt bekam. Einstein versah es mit der Widmung: "Dem einsamen und unabhängigen Denker August Künne als Zeichen meiner Bewunderung und Sympathie, Albert Einstein, 1931"
Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und daraus resultierende soziale Verelendung, werden auch in Wernigerode wie im gesamten Deutschen Reich immer spürbarer. Die Folge ist eine zunehmende seit Jahren sich entwickelnde Radikalisierung der verschiedenen politischen Richtungen. Auch in Wernigerode haben sich besonders in den extremen linken und rechten Parteien (NSDAP und KPD), aber auch bei der SPD und im Zentrum halbmilitärische "Kampfgruppen" gebildet, die offiziell als "Saalschutz" zur Absicherung von politischen Veranstaltungen eingesetzt werden.
Von "einer Massenkundgebung, wie sie Wernigerode seit Jahren nicht gesehen hat" , berichtet am 2. November das "Halberstädter Tageblatt". Im Rahmen eines Arbeiterjugendtreffens im Gewerkschaftshaus an der Salzbergstraße 2 sprach mit dem Reichstagspräsidenten Paul Löbe einer der ranghöchsten Amtsträger Deutschlands.
Zuvor bekundeten etwa 300 Teilnehmer des Treffens in Form eines - wie es in der Zeitung heißt - "von der Bevölkerung der Stadt freudig begrüßten Demonstrationsumzuges" ihre Verbundenheit zur Demokratie, die wegen der Weltwirtschaftskrise und dem Aufkommen der Extremisten bereits in Gefahr geraten ist.
Paul Löbe referierte über die Ursachen der Weltwirtschaftskrise und schlug einen Bogen zum wachsenden Faschismus: "Die Verherrlicher des 3. Reiches suchen den Wundertäter, der die Krise bannen soll, in einem Diktator".