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Beiträge von Ludwig Hoffmann

  • Ulrich von Fresenius wird am 5. Juli in der Stadtverordnetenversammlung einstimmig durch die nationalistischen Abgeordneten zum Bürgermeister gewählt. Die Sozialdemokraten waren zu dem entscheidenden Gespräch mit dem Wahlausschuss nicht eingeladen und bleiben deshalb der eigentlichen Wahl fern, der kommunistische Abgeordnete enthält sich der Stimme. Ulrich von Fresenius tritt das Amt am 10. Januar 1933 an. Zweiter Bürgermeister wird Hermann Reichardt (SPD).
Parteibüro der NSDAP in Wernigerode am Markt
- Fotothek Harzbücherei Wernigerode
Parteibüro der NSDAP in Wernigerode am Markt - Fotothek Harzbücherei Wernigerode
  • Ulrich von Fresenius (NSDAP, geb. am 01. September 1888) wird Bürgermeister und bekleidet das Amt bis 20. April 1945. Der Zweite Bürgermeister, Hermann Reichardt (SPD), stellt nach der Machtergreifung von sich aus sein Amt zur Verfügung.
  • Die Kupferhammersiedlung wird errichtet, weitestgehend durch Eigenleistungen der späteren Bewohner. Dafür stellt die Stadt Grundstücke in Erbpacht als Unterstützung für die Erwerber zur Verfügung.
Siedlungshäuser "Hinter dem Gaswerk"
- Dieter Oemler
Siedlungshäuser "Hinter dem Gaswerk" - Dieter Oemler
  • Die "Fa. Rautenbach" aus Solingen (Leichtmetallgießerei und Modellbau) siedelt sich mit mehreren Firmen, am bekanntesten die Rautalwerke, in Wernigerode an. Die Stadt hatte aus der Konkursmasse das Gelände der ehemaligen Waggonfabrik sehr billig gekauft und kann es dadurch schnell und kostengünstig zur Verfügung stellen. Bürgermeister von Fresenius ist der Meinung, dass die Stadt nicht nur vom Tourismus leben kann und Industrieansiedlungen notwendig sind. Gegen Industrieansiedlungen gibt es aber Widerstände der Tourismuswirtschaft.
  •  Mit dem Bau der Tünneckensiedlung, vorwiegend für kinderreiche Familien von Kriegsveteranen, wird begonnen.
  • Der Westerntorbahnhof der "Harzquer-und Brockenbahn" wird vom unteren Ende der Friedrichstraße ("Eselskrug") an die heutige Stelle zwischen Ilsenburger Straße und Unter den Zindeln verlegt. Damit verbunden war die Weiterführung der Bahn bis zum Hauptbahnhof, wo ein neuer Bahnhof als Endstation erbaut wurde.
Bahnhof Westerntor 1936
- Fotothek Harzbücherei
Bahnhof Westerntor 1936 - Fotothek Harzbücherei
  • Der Tourismus ist für Wernigerode noch der wichtigste Wirtschaftszweig. Pro Jahr gibt es 500 000 Übernachtungen. Bei angenommenen 5 Reichsmark Tagesverbrauch pro Kopf ergibt das einen Umsatz für die Stadt von 2,5 Millionen Reichsmark pro Jahr. Zum Vergleich: Rautenbach zahlt pro Jahr etwa 12 Millionen Reichsmark Löhne und Gehälter.
Gasthof zur Tanne
- Stadtarchiv Wernigerode PK/IV/235
Gasthof zur Tanne - Stadtarchiv Wernigerode PK/IV/235
  • In den letzten Kriegstagen passieren Häftlingskolonnen aus den Konzentrationslagern auf den Todesmärschen unsere Stadt. Der französische Schriftsteller und Resistancekämpfer Robert Antelme, beschäftigt sich später in seinen Erinnerungen mit der Gleichgültigkeit der Wernigeröder: "Als man gestern die Kameraden tötete, bummelten diese Leute ebenfalls über die Bürgersteige. Sie wissen, was sie tun, sie wissen, was man mit uns tut." 13 bis 14 Jahre alte Kinder beschimpfen die Häftlinge als Banditen und Verbrecher, einige ältere Männer gesellen sich zu den Jugendlichen.
Gedenkstein an der "Steinernen Renne"
© Wolfgang Grothe
Gedenkstein an der "Steinernen Renne" © Wolfgang Grothe
Gedenkstein auf dem Friedhof Minsleben
© Wolfgang Grothe
Gedenkstein auf dem Friedhof Minsleben © Wolfgang Grothe
  • Am 18. April läßt der amerikanische Stadtkommandant nach ehemaligen Stadtverordneten suchen, die nicht Mitglied der NSDAP waren. Die gefundene Gruppe aus Kommunisten, Bürgerlichen und Sozialdemokraten schlägt zunächst den früheren 2. Bürgermeister, Herrmann Reichard (SPD) vor. Der amerikanische Stadtkommandant bestimmt dann aber Max Otto (SPD) zum 1. Bürgermeister. Am 20. April bestätigt der Kommandant den neuen Magistrat, dem weiter angehören: Otto Deutsch (KPD), 2. Bürgermeister, Stadtverordnetenvorsteher Otto Büchting, Rechtsanwalt Momsen und Plander (Bürgerliche), Richard Bartels, Paul Menger, Walter Niemann (alle SPD) und August Willecke (KPD).
Otto Deutsch (KPD) wird als 2. Bürgermeister eingesetzt.
- Mahn-und Gedenkstätte Archiv
Otto Deutsch (KPD) wird als 2. Bürgermeister eingesetzt. - Mahn-und Gedenkstätte Archiv
  • Der Magistrat der Stadt unter dem Bürgermeister Max Otto steht vor einer großen Aufgabe. Beim Wiederaufbau nach den Zerstörungen durch den Krieg geht es vor allem darum, das Allernötigste, also Essen, Trinken, Kleidung, Unterkunft, Gesundheitsfürsorge für die durch Flüchtlinge bis zu etwa 50 000 Einwohner gewachsene Stadt zu beschaffen, und das vor dem Hintergrund zerstörter und/oder demontierter Betriebe. Große Probleme bereiten auch einige der befreiten Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge, die sich für erlittenes Unrecht durch Plünderungen und andere Übergriffe rächen.
  • Im ehemaligen "Braunen Haus" in der Burgstraße wird auf Anregung des aus Breslau geflüchteten Prof. Dr. Ravensberg ein Hygieneinstitut gegründet.
  • Bei den Kommunalwahlen am 15. Oktober wird als Spitzenkandidat der SED Bürgermeister Max Otto bestätigt, jedoch nicht wiedergewählt. Er wird in der Stadtverordnetenversammlung am 28. Dezember aus dem Amt verabschiedet. Die Begründung verliest Stadtverordnetenvorsteher Friedrich Müller: "Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass für das Ausscheiden des Bürgermeisters Otto Gründe persönlicher Art nicht vorlagen, sondern dass ihn die Partei auch heute noch schätzt. Sein Ausscheiden ist einzig und allein darauf zurückzuführen, dass leitende Persönlichkeiten nicht zu lange auf einem Posten belassen werden sollen. Man bemüht sich, ein pulsierendes Leben zu erhalten [...]" Das Sekretariat der SED-Kreisleitung, das diese Entscheidung auf Anregung des 1. Sekretärs getroffen hat, bemüht sich, ehemalige SPD-Mitglieder durch Parteikader zu ersetzen, die den neuen Zielen der Partei entsprechen.
  • Martin Kilian löst am 24. Oktober Gustav Strahl als Bürgermeister ab, der aus "gesundheitlichen Gründen" ausscheiden muss. Gustav Strahl war 12 Jahre im Amt. Da die Stadtverordnetenversammlung als Einheitsliste der Nationalen Front gewählt ist und die SED in dieser die führende Kraft ist, führt der 1. Sekretär der Kreisleitung der SED, Helmut Unger in Abstimmung mit dem Vorsitzenden des Rates des Kreises, der funktionsbedingt immer Mitglied des Sekretariats der SED-Kreisleitung ist, ein Kadergespräch mit Martin Kilian. Kilian folgt, später nach eigener Aussage, eher der Parteidisziplin, denn der eigenen Neigung. Die Wahl durch die Stadtverordneten ist Formsache und erfolgt wie immer einstimmig. Kilian wird bis 1990 dieses Amt bekleiden.
  • Wernigerode geht mit Carpi in Italien eine Städtepartnerschaft ein. Der Austausch bleibt von Wernigeröder Seite auf wenige "Reisekader" beschränkt.
Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages mit Carpi
- Stadtarchiv Wernigerode (Archiv Dieter Möbius)
Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages mit Carpi - Stadtarchiv Wernigerode (Archiv Dieter Möbius)
  • Die Entwicklung der Stadt während der Amtszeit von Martin Kilian bleibt nicht unberührt von der Entwicklung der DDR insgesamt. Die 2. Hälfte der 60er Jahre bis Ende der 70er kann als gute Wachstumsphase der DDR-Wirtschaft bezeichnet werden.
Neubau der Füllhalterfabrik in der Weinbergstraße 1972
- Harzbücherei Wernigerode
Neubau der Füllhalterfabrik in der Weinbergstraße 1972 - Harzbücherei Wernigerode
  • Im Gegensatz zu anderen Städten in der DDR gelingt es gegen Pläne des Rates des Bezirkes Magdeburg zu verhindern, dass die historische Innenstadtbebauung abgerissen und mit Plattenbauten "neu gestaltet" wird. Erfolgreich bemühen sich der Vorsitzende des Rates der Stadt (Martin Kilian) und der Stadtarchitekt Wolfgang Köhler, dass die Innenstadt unter Denkmalschutz gestellt wird. Zur besseren Erhaltung der Innenstadt im Vergleich zu den Nachbarstädten tragen auch die höhere Anzahl Häuser im Privatbesitz und die Versorgung mit sehr günstigen Baukrediten für Mieter von "volkseigenen" Häusern bei. Auch werden vereinzelt "volkseigene" Häuser durch die Stadt komplett saniert, während die DDR noch ausschließlich auf industriellen Wohnungsbau setzt. Koordiniert werden die Aktivitäten durch die Arbeitsgruppe Innenstadt mit Baubetrieben und dem VEB Gebäudewirtschaft.
Historische Fachwerkhäuser im Heideviertel
© Wolfgang Grothe
Historische Fachwerkhäuser im Heideviertel © Wolfgang Grothe
  • Am 14. Januar verstirbt Max Otto, erster Bürgermeister der Stadt seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Max Otto
- Harzmuseum Wernigerode
Max Otto - Harzmuseum Wernigerode
  • Nach der Wachstumsphase in der 2. Hälfte der 60er Jahre verschärfen sich auch im Industriekreis Wernigerode die durch die Kommandowirtschaft verursachten Widersprüche, die schließlich bis zum Ende der 80er Jahre zum Zusammenbruch des gesamten sogenannten sozialistischen Wirtschaftssystems führen. Ursachen dieser wirtschaftlichen und ideologischen Insolvenz sind u.a. die Beschränkung von Eigeninitiative mit der Folge von andauernder Abwanderung und Innovationsstau, jahrzehntelange zu geringe Investitionsquote zugunsten überzogener Subventionen, zu große Fertigungstiefe in den Unternehmen, unwirtschaftliche Energiewirtschaft, Umweltzerstörung und ein sich wie ein Krebsgeschwür ausbreitender Sicherheits- und Militärapparat.
Blick auf Wernigerode
- Dieter Oemler
Blick auf Wernigerode - Dieter Oemler
  • Wernigerode kann sich im Vergleich zu ähnlich großen Städten besser entwickeln bzw. erlebt keinen so dramatischen Niedergang wie beispielsweise Halberstadt und Quedlinburg. Einen nicht unerheblichen Beitrag dazu leisten die etwas andere Kommunalpolitik, der erhebliche Geldzufluss durch den starken Tourismus auch im privaten Bereich, sowie die starke Industrie. Der Landkreis Wernigerode ist nach der Bezirksstadt der zweitstärkste Industriekreis. In Wernigerode tragen die großen Volkseigenen Betriebe Elektromotorenwerk, Metallgusswerk, Getriebewerk und Industriebau maßgeblich bei.
Produktionsarbeiter im Kleiderwerk, dem größten Industriebetrieb der Stadt
- Stadtarchiv Wernigerode (Archiv Dieter Möbius)
Produktionsarbeiter im Kleiderwerk, dem größten Industriebetrieb der Stadt - Stadtarchiv Wernigerode (Archiv Dieter Möbius)
  • Wernigerode ist die erste Stadt in der DDR, die eine Fußgängerzone erhält. Sie wird anlässlich der 750 Jahrfeier eingeweiht.
erste Fußgängerzone
- Mahn-und Gedenkstätte Archiv
erste Fußgängerzone - Mahn-und Gedenkstätte Archiv
  • Die Erweiterung des Industriegebietes "Elmo/Megu" wird in Richtung Westen mit dem Bau der Halle V des Elektromotorenwerkes abgeschlossen.
  • Die 70 - Meter - Schanze im Zwölfmorgental wird zu einer Mattenschanze umgebaut.
  • Es beginnt die Erschließung des Gewerbegebietes Dornbergsweg mit den Neubauten für die Betriebe "Pharma Wernigerode" und "Industriebau Wernigerode" und deren Umsiedlung.
  • In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre verschlechtert sich die Luftqualität durch den extensiven Einsatz von Braunkohle für den Hausbrand, Nahwärmeversorgung der neuen Wohngebiete sowie für die industrielle Wärmeversorgung. So werden die ursprünglich mit Öl befeuerten Heizwerke "Burgbreite", "Am Kupferhammer" und "Metallgusswerk (Megu)" auf Stein- bzw. Rohbraunkohle umgestellt. Der 130m hohe Schornstein des Heizwerkes "Megu" bildet eine zweifelhafte neue Dominante der Stadt.
  • Die Städtebauförderung durch Bund und Land wurde auch in diesem Jahr zur Verschönerung der Stadt genutzt. Die Baumaßnahmen im Wohngebiet "Harzblick", Sanierungen in der Burg- und Nöschenröder Straße, das neue Stadtarchiv in der "Alten Münze" (Nonnenhof) und das schmucke Haus in der Klintgasse 1 mit dem attraktiven asiatischen Restaurant sind dafür die augenfälligsten Beispiele.