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Beiträge von Ralf Mattern
- Auf dem Rathaus Wernigerode weht erstmals die schwarz-rot-goldene Fahne. Der Bürgermeister Wilhelm Julius Hertzer (1814-1872) hatte dazu am 24. März die Zustimmung des Grafen Henrich eingeholt. Dieser hatte bemerkt, er fände es "nur angemessen", wenn "diese Fahne aufgesetzt werde".
- Nach den revolutionären Ereignissen in Berlin kommt es auch in der Grafschaft Wernigerode zu heftigen Bevölkerungsunruhen. Nahezu alle Gemeinden wenden sich mit "März-Petitionen" an die gräfliche Regierung. Vor allem fordern die Bürger die Abschaffung noch vorhandener feudaler Lasten und die Beseitigung der Vorrechte des Grafen in der Gemeindeverwaltung und im Gerichtswesen.
- Am 31. März nimmt Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode mit einer Bekanntmachung zu den Petitionen Stellung. Er gesteht lediglich zu, bei der Besetzung der Pfarrstellen und der Ortsvorstände die Wünsche der Gemeinden berücksichtigen zu wollen.
- Am 27. März veröffentlicht das "Wernigeröder Intelligenzblatt" eine Bekanntmachung den "Holzverkauf aus freier Hand betreffend", die Erleichterungen für die Einheimischen beim Erwerb von Holz in Aussicht stellt. "Es ist zwar bei den im Wege der Auktion angeordneten Holz-Verkäufe zum besten der Unvermögenden und der Käufer kleiner Holzportionen die Einrichtung beibehalten worden, daß das fichtene Stuken- und Anbruchholz aus freier Hand verkauft wird: indessen haben Seine Durchlaucht, unser gnädigst regierender Graf und Herr zur Erleichterung des Holzhandels sich bewogen gesehen, folgende weitere Anordnung zu treffen, in den sämmtlichen Gräflichen Forst-Revieren an Eingesessene hiesiger Grafschaft zum eigenen... Bedarf wiederum aus freier Hand zum Verkauf gestellt... Allerdings: reichen die Holzvorräthe... nicht aus, so müssen die Käufer eine unverhältnismäßige Reduktion ihrer Anforderungen sich gefallen lassen."
- Albert Bartels wird am 15. März in Hadmersleben geboren. Bartels gilt als der Urvater der Wernigeröder Arbeiterbewegung.
- Otto Büchting wird am 20. Mai geboren.
- Karl Husung, Gründungsmitglied des Wernigeröder SPD-Ortsvereins, wird am 2. Oktober geboren.
- Erste Versammlung des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" in Wernigerode "im Locale des Schützenwirths Herrn Henneberg". Diese Versammlung am 18. Februar gilt als Geburtsstunde der sozialdemokratisch organisierten Arbeiterbewegung in Wernigerode.
- Am 22. Februar tritt der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) in Wernigerode zum zweiten Mal mit einer großen Versammlung an die Öffentlichkeit. Mit hunderten Besuchern war der Saal des Schützenhauses überfüllt.
- Am 8. März findet im Lokal "Stadt Stolberg" eine Versammlung des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" (ADAV) statt.
- Der in Deutschland stärker werdende Einfluss der Sozialdemokratie veranlasst Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode, verschiedene Sozialmaßnahmen ausarbeiten zu lassen. Als Industrieller, er ist u.a. Hütten-, Zuckerfabriken-, Maschinenfabriken-, Wald- und Bergwerksbesitzer, will er damit sozialen Forderungen die Schärfe nehmen.
- Am 22. Oktober stellt sich Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode zur Wahl zum Präsidenten des Preußischen Herrenhauses. Er gewinnt mit einer Stimme Mehrheit.
- Am 7. Dezember erscheint im "Wernigeröder Intelligenzblatt" folgende Anzeige: "Der Arbeiterstand von Hasserode wird zu einer Besprechung wegen der Errichtung eines Arbeitervereins sowie mehrerer Arbeiterfragen zu heute Abend 8 Uhr in den Deutschen Kaiser eingeladen".
- Auf dem Nicolaiplatz wird ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Krieges 1870/71 gesetzt.
- In Wernigerode wird am 28. Juni ein neuer Verein, der sich "Verein für Gesetzlichkeit und Ordnung in der Grafschaft Wernigerode" nennt, gegründet. Den Zweck des Vereins beschreibt seine politisch-antisozialdemokratische Ausrichtung: "In den unseligen Vorgängen in den letzten Wochen sind die Früchte der sozialistischen Umtriebe, welche die Fundamente des Staates und der bürgerlichen Gesellschaft zu untergraben und Geist und Gemüht des Volkes zu verwirren und zu vergiften seit Jahren bestrebt gewesen sind, zu Tage getreten".
- Heinrich Bopp (SPD) wird am 10. Januar geboren.
- Friedrich Kuring (SPD) wird am 8. Juli geboren.
- Am 25. Februar wird im Schützenhaus in Wernigerode nach dem Verbot der Sozialistischen Arbeiterpartei ein sozialdemokratisch orientierter Volksbidungsverein gegründet.
- Dort, wo sich heute das Gelände der Hochschule Harz befindet, endet am 21. Juli in der Gaststätte "Zum Deutschen Kaiser" die erste "Demonstration" der hiesigen Arbeiterbewegung. "600 Halberstädter Parteigenossen haben unter Vorantragen eines roten Regenschirms eine Harzpartie nach dem Lindenberg, dem Mühlental und nach Hasserode" gemacht, schreibt das Wernigeröder Intelligenzblatt. Das Gebäude der Gaststätte gibt es nicht mehr.
- Der spätere Wernigeröder Bürgermeister Hermann Paul Reichardt wird am 27. November in Magdeburg geboren.
- Unter dem Namen "Harmonia" gründet sich in Hasserode der erste Arbeitergesangverein. Das Gründungs-, Übungs- und Stammlokal ist die "Neue Quelle".
- In Wernigerode und Hasserode existieren vier Turnvereine: der "Männer-Turnverein", der "Turnverein Urania", der "Turn- und Athletenklub" und der "Hasseröder Turnverein". Dazu kommt noch ein Radfahrer-Verein.
- Am 7. Januar wird in Wernigerode von 87 Gründungsmitgliedern ein "Bürgerverein" gegründet. Dieser Bürgerverein soll unter anderem der "Besprechung, Beratung und Förderung städtischer Angelegenheiten wie auch Belebung echten Bürgersinns" verpflichtet sein.
- Paul Eichfeld (SPD) wird am 1. Oktober in Artern geboren.
- Max Otto wird am 8. Januar in Waldheim geboren. Ab 1919 ist er in Wernigerode ansässig. Von 1924 bis 1933 ist Otto Vorsitzender des Ortsausschusses der Gewerkschaften.
- Der Wernigeröder Arbeitergesangverein "Liederbund" wird von den Sozialdemokraten Wilhelm Niewerth, Ernst Kurzberg und Karl Husung als Tarnung für ihre politische Arbeit gegründet.
- Am 2. Oktober feiern die hiesigen Sozialdemokraten das Ende des Bismarckschen "Sozialistengesetzes", ausgerechnet in der Hasseröder Gaststätte "Fürst Bismarck".
- Nach dem Ende des längst wirkungslosen Sozialistengesetzes wird am 20. Dezember der "Wernigeröder Volksbildungsverein" neu gegründet. Das eingereichte Mitgliederverzeichnis umfasst 121 Wernigeröder, 44 Hasseröder und einen Nöschenröder.
- Otto Herfurth wird am 22. Januar in Hasserode geboren.
- Am 4. April wird der "Reise- und Unterstützungsverein der Tabakarbeiter" gegründet.
- Am 15. Juni gründet sich auch der Arbeiter-Turn-Verein "Vorwärts". Erster Vorsitzender wird der Zigarrenmacher Carl Schmidt (1867-1905).
- Richard Bartels wird am 24. Februar in Dortmund geboren. In der Zeit der Weimarer Republik und nach 1945 ist er der führende Sozialdemokrat in der Stadt Wernigerode.
- Die Wernigeröder Sozialdemokratie beteiligt sich erstmals an den Stadtverordnetenwahlen im November. In der nötigen Stichwahl am 29. November wird Albert Bartels erster sozialdemokratischer Stadtverordneter und bleibt dies bis zu seinem Tod.
- Albert Bartels ist erster Vorsitzender des am 11. November gegründeten SPD-Ortsvereins.
- Karl Husung, Gründungsmitglied des Wernigeröder SPD-Ortsvereins im Jahr 1900, ist bis etwa 1903 erster Vorsitzender des am 14. Oktober gegründeten Wernigeröder Gewerkschaftskartells.
- Am 6. September wird eine "Filiale des im In- und Auslande berühmt gewordenen Kunstinstitus Kaiser-Panorama Berlin Passagen im Haus Markt 9 eröffnet" und schließt wieder am 10. Oktober. Ein Kaiser-Panorama funktioniert wie folgt: Bis zu 25 Personen gleichzeitig können gleichzeitig stereoskopische Bilderserien durch ein Guckloch betrachten. Im Panorama befindet sich ein Zahnkranz, auf dem 50 Glasdias befestigt sind, die von der Rückseite her automatisch durch Gas- oder elektrisches Licht durchleuchtet werden. Der Antrieb erfolgt in der Regel automatisch durch ein Uhrwerk. Nach Ertönen eines Glockenschlages werden die Bilder um eines weiter gerückt. Mit der neuen Technik der Kinomatographen können die Kaiser-Panoramen nicht mehr mithalten und verlieren die Gunst des Publikums.
- Otto Büchting ist Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung. Während der Zeit der Weimarer Republik wird Büchting auch in den Provinziallandtag der preußischen Provinz Sachsen gewählt. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gehört Büchting zu jenen Politikern, die das Vertrauen der Besatzungsmächte erhalten und die schwere Aufgabe übernehmen, in Wernigerode eine neue Verwaltungsinfrastruktur aufzubauen. Otto Büchting leitet den städtischen Schlachthof und später auch das Verkehrsamt.
- Am 7. November eröffnet der "Salon-Kinematograph Germania" mit knapp 200 Sitzen "im vollständig neurenovierten Saal" des "Etablissements Stadt Stolberg", der heutigen Gaststätte "Zur schönen Ecke" seine Türen. Der "ständige Kinematograph ersten Ranges", der Albert Vogeler (1860-1931) gehört, wirbt mit "erstklassigen Bildern in naturgetreuen Aufnahmen". Durch das "wöchentlch zweimal wechselnde Programm" würde eine "lehrreiche und höchstinteressante Vorstellung" geboten, heißt es in der Zeitungsanzeige zum Tag der Eröffnung. Das "Germania" wird bis 1922 existieren. Albert Vogeler ist somit der Erste aus dem heutigen Wernigerode, der ein Kino eröffnet, das regelmäßig, täglich und auf Dauer Filme zeigt.
- Am 9. Dezember eröffnet in der Stadt Wernigerode erstmals ein Kino, das das Ziel hatte, täglich und dauerhaft Filme anzubieten. Das "Welttheater", eine Zweigstelle des gleichnamigen Halberstädter Lichtspieltheaters, zeigt im Hotel "Zum Neustädter Bären", Breite Straße 78, die Filme, wie Direktor Carl Wedekind (vermutlich 1892-1970) in einer Zeitungsanzeige ankündigte.
- Am 4. April findet in Nöschenrode im "Zur Stadt Stolberg im renovierten, eigens dazu hergrichteten Saale die große Eröffnungs-Vorstellung des Elektro-Kinematographen-Kolosseum" statt. Geplant ist eine "Dauervorstellung während der Osterfeiertage" - um danach "Vorstellungen dauernd zu veranstalten". Tatsächlich hält sich das "Kolosseum" einen guten Monat mit kinematographischen Darbietungen, die samstags und sonntags zu sehen sind. Am 15. Mai erscheint die letzte Programmankündigung.
- Am 31. Oktober, "nachmittags um 3 Uhr", kann in Nöschenrode das "vornehmste Theater lebender und sprechender Photographien im Hotel Goldener Hirsch (parterre)" besucht werden. Der "Goldene Hirsch" befindet sich in der Kaiserstraße 4, heute Nöschenröder Straße 4. "Direktor M. Kießig", der auch in anderen Orten Kinos besitzt, führt "bis abends um 11 Uhr ununterbrochen" mit seinem "Welt-Kinematograph" ein "Weltstadt-Programm" auf, wie es in einer Zeitungsanzeige heißt. Damit ist "Kießigs Welt-Kinematograph" das erste Kino zwischen Zillierbach und Holtemme, das dauerhaft und mehr als ein- bis zweimal wöchentlich das Publikum mit Filmen aus allen Bereichen anlocken will. Jedoch hält sich diese Kino wohl nur bis Ende des Jahres.
- Am 28. Juli werden im Wernigeröder Hotel "Zum Neustädter Bären" in der Breiten Straße 78 im "vollständig neu renovierten, mit guter Luftventilation, der einen angenehmen Aufenthalt gewährt", das "Walhalla-Tonbild-Theater" mit 129 sitzen von Wilhelm Böhling (1873-1934) eröffnet. Bis zum Umzug Ende 1912 bleibt das "Walhalla" an diesem Ort.
- Walter Jung wird am 16. Mai in Wernigerode geboren.
- Mit einem "glänzend schönen Eröffnungs-Spielplan vom 21. bis 23. Dezember" wirbt Kino-Besitzer Wilhelm Böhling für sein neues Projekt, die "Schloss-Lichtspiele" in der Burgstraße 1. Zuvor hatte er das "Walhalla-Tonbild-Theater" im Hotel "Zum Neustädter Bären", Breite Straße 78 geführt, dessen Existenz am 15. Dezember endete.
- Albert Bartels ist 1903 und 1907 Kandidat für die Reichstagswahl und wird am 30. November von der Stadtverordnetenversammlung Wernigerode bei Ergänzungswahlen zum Kreistag als erstes SPD-Kreistagsmitglied bestimmt.